Mittwoch, 3. Juli 2013

Wohnriestern mit Fußfesseln? : eine Verbindung über den Tod hinaus!

Viele Verkäufer klären kaum über die Nachteile einer sogenannten Eigenheimrente, oder auch "Wohnriester" genannt, auf und wollen jeden katholisch machen, indem sie es als das Non plus ultra verkaufen. Durch diese geistige Flatulenz mit teilweise fadenscheinigen Aussagen ergeben sich aber langfristig Konsequenzen für den Kunden. Diese falschen oder geschönten Aussagen ergeben sich oft auch, weil im Rahmen der Geschäftsvorgaben des Arbeitgebers ein Kontingent für Riesterverträge erbracht werden muss. Die drastisch zunehmenden Neuabschlüsse von Wohnriesterverträgen entspringen also keiner Schwarmintelligenz, sondern eher der Aggressivität der Verkäufer. Mir geht es in diesem Artikel darum, auch über die Schattenseiten aufzuklären, da diese erfahrungsgemäß gerne weggelassen werden.

Zum Beispiel ist die "Wohnriester" nicht für Modernisierung und Renovierung erlaubt.
(Anmerkung vom 03.11.13: durch das Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz werden Künftig auch Umbauten, die Barrieren im Alter reduzieren, in die Eigenheimrenten-Förderung einbezogen.)

Und auch nur bedingt für eine Umschuldung. Hierbei kann man entweder nur das Bauspardarlehen verwenden. Wenn ich auch über mein Guthaben verfügen will, geht dies nur über ein Bausparvorausdarlehen. Das heißt aber, dass ich Zinsen auf mein eigenes Guthaben zahlen muss und so Mehrkosten entstehen. 

Das Objekt muss nach dem 01.01.2008 erstellt oder erworben worden sein. 

Was ist übrigens, wenn ich eine Eigenheimrente über einen Bausparvertrag kaufe und dann doch kein Eigentum erwerbe? Ich habe es oft schon in der Praxis erlebt, dass man einen Partner mit einer bestehenden Immobilie findet und der eigene Bauwunsch hinfällig ist. Es ist also nur geeignet für Menschen, die sicher selbstgenutztes Eigentum erwerben werden. Nur, wer weiß das schon so genau? Ich kann dann zwar in einen anderen rentableren Vertrag wechseln. Hatte aber bis dato eine unterdurchschnittliche Guthabensverzinsung und eine Übertragungsgebühr.

Oft wird die "Wohnriester" über einen Bausparvertrag angepriesen. Nur zur Info: Jede Form einer Riesterente wäre eine "Wohnriester", da immer eine Entnahme für eine selbstgenutzte Immobilie möglich ist. Den Begriff haben nur die Bausparkassen als PR geprägt, um in den Markt zu drängen, da die Bausparkassen die letzten Institute waren, die förderfähige Riesterverträge auf den Markt gebracht haben.

Was passiert bei einer riestergeförderten Immobilie bei:

Verkauf: innerhalb von 4 Jahren muss ich eine neue selbstgenutzte Immobilie kaufen, um die Förderung nicht wieder zurückzahlen zu müssen.

Tod (des letzten der beiden Ehepartner) und Vererbung: Um die Förderung zu behalten, müssen die gesetzlichen Erben die Immobilie selber weiter nutzen. Des Weiteren übernehmen sie die Besteuerung durch das Wohnförderkonto (Erklärung weiter unten). Natürlich bekommen die Erben durch die vererbte Immobilie einen Vermögenswertwert, den man auch in die Waagschale werfen muss.

Schenkung: Die Versteuerung vom Wohnförderkonto wird weiter fällig und die Förderung muss zurückbezahlt werden, wenn der Schenker kein eigenes, anderes Haus erwirbt. Dies lässt sich übrigens noch am Einfachsten durch ein Wohnrecht im Grundbuch lösen. Dann bleibt es förderunschädlich.

Vermietung: Auch hier verfällt die Förderung, was zur Rückzahlung führt. Außer ich ziehe bis zum Rentenalter wieder in meine Immobilie ein. Während der Zeit der Vermietung ist das Wohnförderkonto in einem schwebenden Zustand.


Warum ist das so: Riester wurde als Altersvorsorge konzipiert und die „Wohnriester“ soll helfen, im Alter mietfrei zu wohnen. Wenn dieser Status nicht mehr gegeben ist, verfällt die Förderung.


Doch wie sieht es in der Praxis aus: 
  • Wer zieht nach Jahren Vermietung tatsächlich wieder zurück in seine Wohnung? 
  • Welche Geschwister ziehen nach dem Tod der Eltern gemeinsam in deren Haus ein? 
  • Wenn ich meine Immobilie im Alter verkauft habe, kaufe ich mir dann eine altersgerechte Wohnung oder miete ich diese eher? 
  • Wer kann nach einer Scheidung alleine das Haus halten oder erwirbt schnell wieder ein Neues? 
  • Was ist, wenn an der geerbten Immobilie noch Renvierungs- oder Sanierungs-maßnahmen erforderlich werden, für die ich zusätzlich zur Rückzahlung der Förderung noch einen Kredit aufnehmen muss?

Problem und Konsequenz für den Verbraucher
  1. Ich habe durch das fiktive Wohnförderkonto eine höhere Steuerlast im Alter und weniger Einnahmen, da es keine Zusatzrente mehr gibt. Ich habe also geringere Einkünfte und werde zusätzlich vom Finanzamt zur Kasse gebeten. Und Backsteine kann man nicht essen.
  2. Ich kann mit meiner Immobilie nicht mehr so einfach das machen, was ich will.
In gewissem Maße opfere ich auch meine Zukunft zugunsten der Gegenwart.


Hintergründe zum Wohnförderkonto, welches zur Gleichstellung von Geld -und Wohnriesterkunden dient:
Das Wohnförderkonto ist die Grundlage für die nachgelagerte Besteuerung.

Darin werden die 
  • riestergeförderten Eigenleistungen und Guthabenszinsen 
  • riestergeförderten Tilgungsbeiträge
  • gewährten Riesterzulagen
erfasst und die Jahressalden ab Kapitalentnahme fiktiv um eine Wertsteigerung von 2% p.a. erhöht.

In der Ansparphase wird das fiktive Wohnförderkonto also schon befüllt, aber noch nicht verzinst. Je früher ich anfange, um so nachteiliger ist für mich die Wohnriester. Denn eine lange Laufzeit erhöht die Steuerrückförderung im Ruhestand.
Ab der Rückzahlung wird dieses Wohnförderkonto mit 2% jährlich verzinst.
Je länger ich von der Tilgung bis zur Rente habe, um so mehr wirken sich diese 2% nachteilig für mich auf. Und nach Ende der Tilgung laufen die 2% weiter und ich habe keinen Einfluss mehr darauf. Mit Eintritt des Rentenalters beginnt die Besteuerung des Wohnförderkontos verteilt bis zum 85. Lebensjahr. Oder ich finde in einer Summe ab. Dann werden mir 30% erlassen. Wenn ich vorher sterbe, übernehmen meine Erben die Steuerlast durch eine Zahlung in einer Summe in der nächsten Steuererklärung.

Man zahlt demnach Steuern für Geld, welches man nie verdient hat. Und das obwohl doch die Meisten Steuern sparen wollen?!

Beispielhafte Entwicklung eines Wohnförderkontos:
Quelle: Badenia Bausparkasse AG
Fazit: Jede Medaille hat ihre Kehrseite und nicht alles ist Gold, was glänzt. Bitte nicht missverstehen. Es gibt sicherlich einen Personenkreis, für den diese Möglichkeit in Betracht kommt. Aber sie sollte mit Bedacht und dem nötigen Hintergrundwissen gewählt werden. Mietfrei zu wohnen, ist ein lohnendes Ziel. Zudem ist Immobilieneigentum ein Sachwert, bei dem nicht gleich der Putz von den Wänden fällt, wenn der Euro wackelt. 

Eine "Wohnriester" erscheint meines Erachtens eher für niedrige Einkommen sinnvoll in Form eines riestergeförderten Annuitätendarlehens, weil man sonst schwerlich an Wohneigentum kommt. Oder für Familien mit vielen Kindern, da die hohe Förderung direkt die Zinslast reduziert. Solventen Kunden empfehle ich eher eine normale Riester. Deswegen lohnt sich oft ein Übertrag in eine (Fonds-)Riester. Beziehungsweise nutzt man nach der Zuteilung das Bauspardarlehen seines Riesterbausparvertrages weiterhin ohne Förderung und überträgt das Guthaben auf eine normale Riester. Dann wird auch das Wohnförderkonto aufgelöst. Bei einem Anbieterwechsel entstehen allerdings Übertragungskosten. Deswegen unbedingt sorgfältig berechnen lassen und vor allem mit seinen Zielen langfristig abgleichen. 

Als guter Berater kennt man alle Möglichkeiten der Riesterförderung und nimmt dann das passende für die Situation des Kunden. Es gibt sicher keine Pauschalaussagen, die in der Kundenberatung Anwendung finden. Wir Leben in einer Zeit in der nur maßgeschneiderte Lösungen wichtiger sind, denn je. Deswegen ersetzt diese Information kein gutes Beratungsgespräch. Denn man muss immer konkret durchleuchten, um passende und nachhaltige Empfehlungen abgeben zu können.

Herzlichst Euer Michael Serve

6 Kommentare:

  1. Endlich mal jemand der sich auskennt!! Danke

    AntwortenLöschen
  2. Ein Tipp noch: wenn Ihr bei der Bausparkasse nachfragt, lasst Euch die Aussage bitte unbedingt schriftlich bestätigen. Denn es gibt aus Unkenntnis selbst bei den Sachbearbeitern der Bausparkassen immer wieder widersprüchliche Auskünfte. Und oft wurde es nach Rücksprache und eingehender Recherche dementiert.

    AntwortenLöschen
  3. Änderungen Wohnriester 2013:
    Anfang Februar 2013 hat der Bundestag das Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz (AltvVerbG) beschlossen, am 01.07.2013 ist dieses Gesetz in Kraft getreten. Wohn-Riester wird durch die Verbesserungen für Kunden zwar nicht viel einfacher, aber etwas flexibler.
    So können Riester-Sparer Ihr Guthaben zukünftig jederzeit zur Tilgung ihres Immobilien-kredites einsetzen, entweder zur Sondertilgung während der Zinsbindung oder zur Ablösung eines Teils der Restschuld am Ende der Zinsbindung. Das spart Kreditzinsen und Schulden können schneller abgebaut werden. Bisher war es lediglich möglich, das angesparte Guthaben als Eigenkapital für den Bau/Kauf einer selbstgenutzten Immobilie oder zur Tilgung der Restschuld bei Rentenbeginn zu verwenden. Die Entnahme des Guthabens muss der Riester-Sparer rechtzeitig bei der zentralen Zulagenstelle beantragen.
    In Zukunft kann auch der altersgerechte Umbau der eigenen Immobilie mit dem angesparten Guthaben aus einem Riester-Vertrag oder einem geförderten Riester-Darlehen finanziert werden. Dafür gelten folgende Voraussetzungen:
    Es dürfen dafür keine weiteren öffentlichen Zuschüsse oder Steuervorteile in Anspruch genommen werden,
    Der bislang geltende Mindestentnahmebetrag von 20.000 Euro aus dem Riester-Vertrag reduziert sich auf 6.000 Euro, sofern der Umbau innerhalb von 3 Jahren nach dem Bau/Kauf der Immobilie erfolgt,
    Mindestens die Hälfte des Entnahmebetrages muss er für Umbauten einsetzten, die der DIN-Norm für barrierefreies Bauen (DIN 18040 Teil 2) entsprechen. Der Restbetrag kann auch für nicht normgerechte Maßnahmen eingesetzt werden, sofern sie dem Abbau von Barrieren dienen. Ein Sachverständiger muss das bestätigen.

    AntwortenLöschen
  4. Ein aktueller Beitrag dazu aus der F.A.Z.:
    http://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/vermoegensfragen/vermoegensfrage-wohnbaufoerderung-kostet-im-alter-13594597.html?fb_action_ids=817114651657826&fb_action_types=og.shares&fb_source=other_multiline&action_object_map=%5B766946883404188%5D&action_type_map=%5B%22og.shares%22%5D&action_ref_map=%5B%5D

    AntwortenLöschen
  5. Hände weg von Wohnriester laut FAZ vom 15.02.16: http://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/sparen-und-geld-anlegen/versteuerung-von-wohn-riester-foerderungen-im-alter-14069082.html

    AntwortenLöschen